Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenWenn in Zukunft jeder Arbeitgeber sämtliche Arbeitszeiten erfassen muss, ist keine Vertrauensarbeitszeit mehr möglich?
Das schauen wir uns in diesem Artikel genauer an. An dieser Stelle kann schon vorweggenommen werden, dass die Antwort weder ein klares Ja, noch ein klares Nein ist. Deshalb ist dieser Artikel auch länger als zwei Zeilen.
Die kurze Antwort: Vertrauensarbeitszeit bekommt eine andere Definition
Die Vertrauensarbeitszeit ist nicht tot. Denn es gibt Tools zur Zeiterfassung, bei denen Arbeitnehmer :innen ihre Zeiten komplett händisch eintragen. Das basiert genauso auf Vertrauen, wie ein Szenario, in dem gar keine Zeiten notiert werden.
Wir müssen die Vertrauensarbeitszeit in Zukunft also einfach anders definieren. Es bedeutet nicht mehr, dass der Arbeitgeber überhaupt keine Arbeitszeiten erfasst. Vertrauensarbeitszeit bedeutet in Zukunft vielmehr, dass die erfassten Zeiten auf Vertrauen basieren und ausschließlich dazu verwendet werden, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sicherzustellen und nicht zur Kontrolle der Mitarbeitenden.
Die lange Antwort: So sieht Vertrauensarbeitszeit mit dem neuen Gesetz konkret aus
Also objektiv betrachtet bedeutet Vertrauensarbeitszeit, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeiten seiner Mitarbeitenden überhaupt nicht kontrolliert. Die Arbeitszeiten basieren also komplett auf Vertrauen.
Nun hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass alle Unternehmen in der EU in Zukunft sämtliche Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter :innen erfassen müssen. Bisher galt das im deutschen Recht nur für Überstunden – es mussten also nur alle Zeiten erfasst werden, die über 8h Arbeitszeit am Tag hinausgingen.
Zu diesen Regelungen gab es in den letzten Jahren Kritik, da es kaum möglich ist, die Überstunden zu dokumentieren, wenn der Arbeitgeber nicht die Zeit erfasst, wann jemand anfängt zu arbeiten. Dann ist es sinnvoller, gleich eine Stechuhr zu verwenden und die gesamte Arbeitszeit zu erfassen. Die Überstunden können dann viel genauer berechnet werden.
Stechuhr klingt nach ziemlich viel Kontrolle und ist auch in der Praxis quasi nicht mit der Vertrauensarbeitszeit vereinbar. Aber in Berufen mit flexiblen Arbeitszeiten und -orten geht das mit der Stechuhr natürlich sowieso nicht.
Und deshalb ist die Frage nach dem “Ende” der Vertrauensarbeitszeit auch kein klares Ja. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht eine vollständig elektronische Arbeitszeiterfassung vor. Es steht aber nicht drin, dass der Arbeitgeber die Zeiten selbst erfassen muss. Also zum Beispiel mit einer Stechuhr. Er ist nur dafür verantwortlich, den Mitarbeiter :innen ein geeignetes elektronisches Tool zur Verfügung zu stellen, mit dem die Arbeitszeiten erfasst werden können.
Das bedeutet: Die Arbeitszeiten basieren immer noch auf Vertrauen, da Arbeitnehmer :innen diese händisch in ein Tool eintragen. Die so erfassten Arbeitszeiten können vom Arbeitgeber ausgewertet werden und sind wichtig für die Kontrolle, ob das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird. Dazu haben wir schon mal ein Video gemacht, das verlinke ich euch in der Beschreibung.
Arbeitgeber haben mit dem neuen Gesetz also zwei Möglichkeiten:
Erstens: Entweder ne ziemlich genaue und standortbezogene Erfassung der Arbeitszeiten mit einem digitalen Terminal oder am PC-Arbeitsplatz. Da gibt’s ziemlich viele Möglichkeiten, die die Arbeitszeiten in Echtzeit erfassen.
Zweitens: Die Alternative ist das, was der Vertrauensarbeitszeit am nächsten kommt. Der Arbeitgeber stellt ein Software-Tool zur Verfügung und die Arbeitnehmer :innen erfassen dort eigenverantwortlich ihre Arbeitszeiten. Und das basiert dann eben wieder auf Vertrauen.
Besonders in Unternehmen mit flexiblem Arbeitsort wird wahrscheinlich hauptsächlich die zweite Variante verwendet werden.
Wichtige ergänzende Gedanken zur Vertrauensarbeitszeit
An dieser Stelle noch ein kurzer Exkurs. Viele Arbeitnehmer :innen haben Angst, dass ihnen die verpflichtende Arbeitszeiterfassung ihre Flexibilität wegnimmt. Es gibt ein paar interessante Studien, die zeigen, dass Personen mit Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice oft mehr Überstunden machen als die, die zum Beispiel im Büro sitzen. Und bei Vertrauensarbeitszeit werden Überstunden eben viel schlechter oder gar nicht erfasst und das ist am Ende schlecht für die Arbeitnehmer :innen.
Stellt euch vor, ihr arbeitet im Home Office und habt Vertrauensarbeitszeit. Nachmittags ist schönes Wetter und ihr denkt euch – cool, da geh’ ich ne Weile raus und arbeite dann heute Abend noch. Abends habt ihr dann Hunger, macht etwas zu essen, danach ist schon halb 9 und ihr müsst jetzt noch 2 Stunden arbeiten. Gar keine Lust.
Also – Macht euch klar, dass Vertrauensarbeitszeit auch Stress auslösen kann. Die Verschmelzung von Arbeit und Freizeit klingt gut, aber feste Arbeitszeiten haben eben auch Vorteile. Arbeitnehmer :innen haben genug Pausen, genug Ruhezeit und wissen genau, sie müssen nach Feierabend nicht mehr an die Arbeit denken. Da gibt es ein passendes Zitat vom Bundesarbeitsminister. Der sagt: „Irgendwann muss auch einmal Feierabend sein.“
Fazit – Vertrauensarbeitszeit und Zeiterfassung – Geht das zusammen?
Wie oben schon gesagt, die Antwort ist Jein. Wir müssen das Verständnis von “Vertrauensarbeitszeit” etwas anpassen, aber letztendlich spricht nichts dagegen, dass die erfassten Arbeitszeiten komplett auf Vertrauen basieren.
Also – Wenn ihr als Arbeitnehmer :in vom Unternehmen Zeiterfassung vorgeschrieben bekommt, dann denkt daran, dass der Gesetzgeber sich das überlegt hat, um euch zu schützen und die Arbeitgeber dazu zu bringen, das Arbeitszeitgesetz konsequent einzuhalten.
Und wenn ihr Arbeitgeber seid, dann redet offen mit euren Mitarbeitenden darüber. Bei Vertrauensarbeitszeit ist es wichtig, dass alle mit dem Konzept zufrieden sind und keiner sich beobachtet oder kontrolliert fühlt.
Am Ende geht es darum, die beste Situation für Arbeitnehmende und Unternehmen zu erreichen. Und die Zeiterfassung kann – wenn man sie richtig einsetzt und kommuniziert – ein Schritt in die richtige Richtung sein.