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Eine Gruppe von Leuten in einem Raum, der Text auf dem Bild: #HR: Übersicht & Empfehlung, Arbeitszeiterfassung: Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.

Kann der Betriebsrat die Einführung einer Arbeitszeiterfassung verlangen?

Die verpflichtende Arbeitszeiterfassung ist spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 in den Fokus von Unternehmen und Personalverantwortlichen gerückt. Während viele Unternehmen noch mit der technischen und organisatorischen Umsetzung beschäftigt sind, stellt sich die Frage nach den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats – insbesondere nach dem Initiativ- und Einsichtsrecht. Dieser Artikel bietet HR-Entscheidern und Unternehmensverantwortlichen eine kompakte Übersicht zur aktuellen Rechtslage und gibt praxisnahe Empfehlungen zur Einführung eines Zeiterfassungssystems im Einklang mit Betriebsrat und Gesetzgebung.

Inhalt

Aktueller rechtlicher Rahmen zur Arbeitszeiterfassung

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Beschluss vom 13.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21) klargestellt, dass Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet sind, ein System zur Erfassung der Arbeitszeiten einzuführen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG – interpretiert im Lichte des EuGH-Urteils von 2019. Dabei geht es nicht nur um die Erfassung der Anwesenheitszeit, sondern auch um die Sicherstellung, dass gesetzliche Arbeitszeitregelungen wie Höchstarbeitszeit, Pausenregelung und Ruhezeiten eingehalten werden.

Das Initiativrecht des Betriebsrats – was ist erlaubt?

Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 27.07.2021, Az. 7 TaBV 79/20) hatte zunächst entschieden, dass der Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung geltend machen kann. Das bedeutete: Der Betriebsrat hätte die Einführung eines solchen Systems aktiv einfordern können, selbst wenn der Arbeitgeber dies nicht plante.

Diese Rechtsauffassung wurde jedoch durch das Bundesarbeitsgericht im oben genannten Beschluss revidiert: Da Arbeitgeber gesetzlich zur Zeiterfassung verpflichtet sind, entfällt das Initiativrecht des Betriebsrats für die erstmalige Einführung eines Systems.

Aber trotzdem gilt: Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG – insbesondere bei der konkreten Ausgestaltung der Zeiterfassung, z. B. bei der Auswahl technischer Systeme (z. B. Terminal, Weboberfläche oder App), der Frage, ob Vertrauensarbeitszeit oder minutengenaue Erfassung erfolgt, der Regelung von Pausen, Korrekturprozessen und Dokumentation.

Einsichtsrecht des Betriebsrats: Transparenz bei den Arbeitszeiten

Ergänzend zum Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG das Recht, Einsicht in die Arbeitszeitaufzeichnungen der Beschäftigten zu nehmen, um die Einhaltung der gesetzlichen und tariflichen Arbeitszeitvorgaben zu kontrollieren, Überlastungen oder systematische Verstöße zu erkennen, auf Missstände hinzuweisen und ggf. Abhilfe zu verlangen. Dieses Einsichtsrecht ist besonders wichtig bei mobilen Arbeitsformen bzw. Mobiles Arbeiten oder Home Office sowie bei Vertrauensarbeitszeit oder hoher Flexibilität im Arbeitsalltag.

Handlungsempfehlungen für HR-Entscheider :innen

Damit Unternehmen auf der sicheren Seite sind – rechtlich, technisch und organisatorisch – empfiehlt es sich, folgende Schritte zu beachten:

  1. Rechtssichere Umsetzung vorbereiten: Prüfen Sie die geltenden Anforderungen aus dem Arbeitsschutzgesetz und der aktuellen Rechtsprechung. Entwickeln Sie ein Konzept zur Zeiterfassung, das die gesetzlichen Mindeststandards erfüllt.
  2. Betriebsrat frühzeitig einbeziehen: Binden Sie den Betriebsrat in die Planungen zur Einführung und Auswahl des Systems ein. Entwickeln Sie gemeinsam eine Betriebsvereinbarung zur Ausgestaltung der Zeiterfassung.
  3. Passendes Zeiterfassungssystem auswählen: Achten Sie auf Benutzerfreundlichkeit, Anpassbarkeit und Datenschutzkonformität. Berücksichtigen Sie hybride Arbeitsformen, mobile Nutzung und Schnittstellen zu HR-Software.
  4. Transparente Kommunikation im Unternehmen: Informieren Sie Ihre Mitarbeitenden rechtzeitig über die Einführung. Schulen Sie Führungskräfte und Teams im Umgang mit der neuen Lösung.
  5. Datenschutz nicht vergessen: Die Erfassung von Arbeitszeiten ist personenbezogen – achten Sie auf DSGVO-Konformität. Klare Löschfristen, Zugriffsrechte und Dokumentationen sind essenziell.

Fazit

Die Einführung eines Zeiterfassungssystems ist kein „Nice-to-have“, sondern eine rechtliche Notwendigkeit. Für HR-Entscheider :innen und Unternehmen bedeutet das: nicht nur handeln, sondern auch strategisch mit dem Betriebsrat bzw. Personalrat kooperieren. Während das Initiativrecht eingeschränkt ist, bleibt die Mitbestimmung bei der Ausgestaltung bestehen – und das Einsichtsrecht stärkt die Kontrollfunktion des Betriebsrats. Mit einer durchdachten Umsetzung schaffen Sie nicht nur Rechtskonformität, sondern auch Vertrauen, Transparenz und Effizienz im Arbeitsalltag.

Hinweis: Dieser Blog-Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und kann insbesondere keine individuelle rechtliche Beratung ersetzen.

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